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Wahlen in Moldau - Wie Putin die EU-Annäherung verhindern will

Russland will seinen Einfluss in den ehemaligen Sowjetrepubliken um jeden Preis ausweiten. Dem stehen die Pläne Moldaus entgegen, EU-Beitrittskandidat zu werden. Am Sonntag wählt die kleine Republik: eine Zerreißprobe für das Land

Oliver Bilger

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Oliver Bilger arbeitet als freier Journalist in Moskau und lebt zurzeit in der Republik Moldau. Foto: privat

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Gastarbeiter aus ehemaligen Sowjetrepubliken sind in Russland für gewöhnlich nicht sonderlich angesehen. Sie bauen Häuser, hüten Kinder, räumen den Schnee von der Straße – sie machen die Jobs, die Russen gerne anderen überlassen. In diesen Tagen aber wird Arbeitsmigranten aus der Republik Moldau offenbar eine besondere Rolle zuteil, Moskau braucht ihre Unterstützung. Plötzlich sind sie ein politisches Instrument russischer Außenpolitik.

Am Sonntag wählt die kleine Republik zwischen Rumänien und der Ukraine ein neues Parlament. Einst war Moldau der Obstgarten der Sowjetunion. Heute befindet sich die amtierende Regierung auf Westkurs: Seit wenigen Monaten dürfen Bürger visafrei in den Schengenraum reisen, im Sommer unterzeichneten Moldau und die Europäische Union ein umfassendes Assoziierungsabkommen. In der Ukraine hatte das Scheitern eines solchen Vertrages vor einem Jahr die Proteste auf dem Kiewer Maidan ausgelöst. Moldau will bald EU-Beitrittskandidat werden.

In Moskau stoßen diese Pläne auf wenig Begeisterung. Der Kreml betrachtet die kleine Republik weiter als Teil seiner Einflusssphäre. Daran soll sich auch in Zukunft nichts ändern. Vergleiche mit der Ukraine liegen auf der Hand. Moskau hat die Einfuhr von Obst, Gemüse und vor allem von Wein aus Moldau verboten, um Druck zu erzeugen.

Richtungsentscheidung zwischen Europa und Russland


Russland drohte außerdem, die Zahl der rund 400.000 Gastarbeiter einzuschränken. Für Moldau, das ärmste Land in Europa, sind die Rücküberweisungen seiner Gastarbeiter ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Inzwischen ist Russland auf eine neue Strategie umgeschwenkt: Statt Strafe lockt Moskau nun mit Belohnung.

Arbeiter, die die Aufenthaltsdauer in Russland überziehen, landen in der Regel auf einer schwarzen Liste und bekommen Probleme mit den Migrationsbehörden. Wenige Wochen vor der Wahl hieß es nun, wer nach Moldau zurückkehrt, um zu wählen, brauche keine Angst vor Strafen zu haben. Moskau gewähre eine Amnestie.

Die Wahl in Moldau ist eine Richtungsentscheidung. Rückt das Land näher an Europa heran oder näher an die russische Zollunion, die bald zur die Eurasischen Wirtschaftsunion wird? Moskaus Kalkül: Wer mit der Arbeit in Russland eine ganze Familie ernährt, wird pro-russisch stimmen.

Korruption auch in pro-westlichen Parteien


Der Vorgang kann Experten zufolge die Wahl entscheidend beeinflussen. Der Wahlausgang ist ohnehin offen: Die pro-europäische Koalition hat an Zuspruch eingebüßt. Größtes Problem ist die weit verbreitete Korruption. Sie reicht bis in die höchsten politischen Ämter und umfasst auch die westlich orientierten Parteien. In Umfragen liegen Befürworter des EU-Kurses in etwa gleichauf mit jenen, die sich nach Osten orientieren wollen. Die pro-russischen Parteien dürften vor allen von jenen profitieren, die nicht warten wollen, bis ihr Land langsam alle von Brüssel verordneten Reformen umsetzt. Sie hoffen auf rasche Verbesserungen ihrer Lebensstandards. Bei einer Hin- oder Abwendung von Moskau sind die Folgen, wie im Fall des Embargos, unmittelbar zu spüren.

Für einen stärkeren Ost-Kurs treten vor allem die Sozialisten ein, die Moskau offen unterstützt. Darüber hinaus vermuten viele, dass auch ein Politneuling und dubioser Geschäftsmann namens Renato Usatii finanzielle Hilfe aus Russland bekommt. Mit populistischen Parolen erreicht er viele Politikverdrossene im Land und könnte den etablierten Parteien Stimmen abluchsen. Das könnte die Koalitionsbildung erschweren und das Land nach der Wahl destabilisieren. Ein EU-Diplomat in der Hauptstadt Chisinau fürchtet „schwere Zeiten“.

Strategische Partnerschaft zwischen Abchasien und Moskau


Russische Medien verbreiten auch in Moldau die Moskauer Weltsicht. Wie andere Länder in Osteuropa ist Moldau vom russischen Gas abhängig. Russland hat viele Hebel, um auf das Land einzuwirken. Enge Verbindungen gibt es auch zu den Gagausen, ein Turkvolk im autonomen Süden Moldaus, das am Sonntag mehrheitlich pro-russisch stimmen dürfte.

Ungelöst ist außerdem seit bald 25 Jahren der Konflikt um die abtrünnige Region Transnistrien. Dort fordern Separatisten die Unabhängigkeit von Moldau. Viele befürworten auch den Beitritt Transnistriens zur Russischen Föderation, nach dem Beispiel der Krim. Doch Russland zeigt bislang kein Interesse an dem schmalen Landstreifen, auf dem noch heute russische Soldaten stationiert sind. Schließlich kann es mit dem „eingefrorenen Konflikt“ leichter auf die Innenpolitik Moldaus einwirken.

Russland beeinflusst nicht nur die Politik eines souveränen Staates. Es unterwandert sie mal mit politischen, mal mit wirtschaftlichen Mitteln. Moldau ist kein Einzelfall, Russland will auch andere Staaten, meist im Osten Europas, in seiner Einflusszone halten.

So will Moskau etwa die von Georgien abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien enger an sich binden. Erst am vergangenen Montag vereinbarte der abchasische Republikchef in Moskau eine strategische Partnerschaft. Der unterzeichnete Vertrag sieht einen gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheitsraum vor. Im Konfliktgebiet Berg-Karabach im Südkaukasus, das völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, aber von Armenien kontrolliert wird, tritt Russland als Schutzmacht Armeniens auf und wahrt dort seinen Einfluss im Kaukasus.

Blockdenken aus dem Kalten Krieg


Auch dem Westbalkan misst der Kreml strategische Bedeutung zu. Serbien ist EU-Beitrittskandidat und gleichzeitig ein Verbündeter Moskaus. Russland möchte das Land enger an sich binden, etwa durch eine Militärkooperation. In den vergangenen Monaten wuchsen die Sorgen bei Russlands Nachbarn Lettland und Estland, in denen große russischen Minderheiten leben. Ethnische Kasachen fürchteten, der Norden Kasachstans, in dem überwiegend Russen leben, könnte ein weiteres Ziel Putins sein. Mit Sorge verfolgen Politiker und Experten, wie Russland auch innerhalb der EU auf die Politik einwirkt, etwa in Bulgarien oder Ungarn. Erst vor kurzem warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einem Flächenbrand, sprach von „altem Denken in Einflusssphären, das internationales Recht mit Füßen tritt“. Das Blockdenken aus dem Kalten Krieg kehrt zurück.

Handelseinschränkungen und Gasversorgung sind meist Russlands auffälligste Instrumente oder, wie im Fall der Ukraine, sogar das Militär. Staatskonzerne und Oligarchen kaufen sich in die Wirtschaft der Länder ein und sind ebenfalls Akteure bei derlei Machtspielen. Was genau Wladimir Putin vorhat, vermag man nur zu deuten. Was wie Expansionspolitik aussieht, lässt viele Fragen unbeantwortet. Klar ist hingegen: Die Geopolitik spielte für Russland immer eine Rolle, deren Bedeutung Europa lange unterschätzt hat.

Moldau wolle selbst über seine Zukunft entscheiden, erklärt derweil Vlad Filat, bis voriges Jahr Premierminister und heute noch Chef der regierenden Liberaldemokratischen Partei. Er spricht von „direkten und indirekten Gegnern der EU-Integration“. Dabei richte sich die Politik seiner Regierung nicht gegen Russland, erklärt Filat. „Dieser Prozess ist für uns.“

Um dieses Ziel zu erreichen, agiert allerdings auch seine Regierung nicht immer glücklich. Moldauer im Ausland gibt es nicht nur fernab der östlichen Landesgrenzen. Auch in Europa arbeiten viele Moldauer, bis zu 300.000 sollen es sein. Die Regierung hofft auf die Stimmen derer, die das Leben im Westen bereits gut kennen. Sie richtet am Sonntag 95 Wahllokale in 32 Ländern ein, die meisten davon in Europa. Zur Abstimmung für alle Gastarbeiter in Russland gibt es hingegen gerade einmal fünf Wahllokale.

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